steinhart weichgespült
Unter dem Titel „steinhart weichgespült“ werden die bildhauerischen Arbeiten von vier Künstlerinnen aus Schleswig-Holstein gezeigt:
Danijela Pivašević-Tenner aus Neumünster zeigt raumbezogene Arbeiten aus gegossenem und verformtem Porzellan. Sie leitet das Künstlerhaus Stadttöpferei im Fürsthof und hat das internationale Artist-in-Residence Programm für Keramik dort entwickelt.
Ebenfalls Porzellan nutzt Birgit Saupe, Absolventin der Freien Kunst und Keramik an der Muthesius Kunsthochschule Kiel, in ihren Objektinstallationen zu medizinischen Versuchen.
Zuzana Hlináková, vielen auch aus der Ateliergemeinschaft 90° in Kiel bekannt, stellt neben keramischen Objekten aktuelle Arbeiten mit feinen Bohrungen in kompaktem Stein vor.
Anke Müffelmann ist mit einer ortsbezogenen Installation zu Alltagshandlungen vertreten. Sie ist seit 2011 Mieterin im Atelierhaus im Anscharpark und Initiatorin von „radius of art“.
Indirekt stellen alle Arbeiten auch einen fragenden Bezug zur ehemaligen Nutzung des Atelierhauses als Küche und Wäscherei im Anschar-Militärkrankenhaus her.
Allen Künstlerinnen gemeinsam ist der sichere gestalterische Umgang mit unterschiedlichen Formbarkeiten und Zuständen des Materials Ton, Porzellan, Keramik und Stein.
Eröffnung: am Samstag, den 30. November um 17 Uhr
Begrüßung: Tamer Serbay, Kunstverein Haus 8
Einführung: Augustin Matin Noffke
Öffnungszeiten: Do-So: 15-18 Uhr | Der Eintritt ist frei.
Veranstalter: Kunstbverein Haus 8 e.V.
KERAMIK HEUTE
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anwendungsbereiche für Keramik als Material, Technik und Medium bewegen sich zwischen gegensätzlichen kulturellen Polen: Keramik hat fast unbemerkt einen Platz in zukunftsweisenden Hoch-Technologien wie Materialforschung, Raumfahrt und Medizin eingenommen. Gleichzeitig ist Keramik eine der ältesten und damit auch archetypischen Zivilisationstechniken, vielfach präsent als Körper, Gefäß, Haut, Haus – eng verbunden mit den Funktionen der Hand.
Das Material erfährt dabei eine vielfache alltägliche Nutzung in Wirtschaft und Industrie, Bauwesen und Architektur sowie Design und Handwerk. Die unzähligen Möglichkeiten in der Formbarkeit, die Ton als plastischer Werkstoff bietet und die Dimensionen der Nutzungsmöglichkeiten des hart gebrannten Materials Keramik lassen immer größer werdende Handlungsfelder sichtbar werden. Die Nutzungsmöglichkeiten bewegen sich zwischen einer fast uneingeschränkten Subjektivität des Einzelnen im plastischen Formen mit der Hand und der Funktionalität und Berechenbarkeit des gebrannten Materials bezogen auf Robustheit, Hitzebeständigkeit, Vielseitigkeit, Lebensdauer, Säureresistenz, Statik und Dichte.
Die konkrete Arbeit der keramisch arbeitenden Künstler/in im Medium Keramik basiert gleichfalls auf dem plastischen Entwickeln und Begreifen einer Form, den zu erforschenden technischen Möglichkeiten des Materials und auf der kontextuellen inhaltlichen Einbindung. Aus dieser Varianz der Spannungsfelder keramischen Handelns leiten sich für Künstler/innen interessante Potentiale und neue Arbeitsfelder in der Zukunft ab.
KÜNSTLERISCHE POSITIONEN
Zuzana Hlináková
Zuzana Hlináková zur Keramik: „Das Material Stein, Ton, Erde, Keramik ist nicht nur Mittel zum Zweck, sondern durch seinen Bezug zum Ursprung und durch seine Eigenschaften ist dieses Material ein wichtiger Impulsgeber für meinen Schaffensprozess. Die Wandelbarkeit des Materials fasziniert mich und hilft bei meiner Suche nach der Wahrheit außerhalb der Realität.“
Zuzana Hlináková dichtet steinerne Haikus. Sie entnimmt der Natur Material, Ackerboden etwa und Ton, Marmor und Kalkstein. Sie gibt diesen Materialien Form. Das Finden der Formen ist wie das Finden der Worte. Ist offener Blick, ist Intuition, ist Wissen und Wille. Das Formenvokabular begrenzt Zuzana Hlináková streng. Immer sind die Formen klar, sind konkret und doch zugleich wie im Übergang, wie momentane Zustände, die ihrer zukünftigen Verwandlung entgegengehen. Ihre Gebilde sind wie rätselhafte Lebewesen mineralischer Natur, aus deren schwellendem Samen unbekannte Geschöpfe zu wachsen scheinen. Unter der Haut ihrer steinernen Larven sehen gewachsene Wesen ihrer nächsten Häutung entgegen. (…) Dass sie nicht allein auftreten, ihre Ordnung in der Menge haben, aber auch ihre Anordnung, ihre Zusammensetzung im Raum, verleiht ihnen den Anspruch, ein Kosmos zu sein. (…) So, wie innerhalb des strengen Regelgerüsts des Haiku der in der Mannigfaltigkeit gefundene Augenblick konkreten Ausdruck findet, schafft Zuzana Hlináková eine räumliche Bühne, auf der ihre „Steinsamen“, „Nymphen“ und „Windenblüten“ die Schauspieler eigener Naturgeschichten sind. Das Stück, das hier gegeben wird, macht etwas einsichtig, verstehbar. Zuzana Hlinákovás steinerne Objekte sind die Darsteller eines Sinns. Das Kunstwerk wird selbst der Spielraum des Verstehens. Verstanden werden kann der Augen-Blick Zuzana Hlinákovás auf das Leben. Entfalten kann sich der menschliche Blick aufs Werden und Vergehen trotz seiner ungeklärten Stellung in und zugleich außerhalb der Natur, weil die Künstlerin formt und zusammensetzt und die Dinge gleichsam zum Schauspiel ruft, wie der Schöpfer im Dialog Timaios. Zugleich hält sie, wie in der japanischen Dichtung, ihre Sprache in der Schwebe.
Aus: Dörthe Ahrens, Katalog zur Ausstellung Steinsamenflug Waldgeflüster, Museumsberg Flensburg, 2008
Am Grund die Steine
Sie scheinen sich zu rühren
Im klaren Wasser
Das eigene Leben
Anke Müffelmann
Anke Müffelmann ist mit einer ortsbezogenen Installation zu Alltagshandlungen vertreten. Ihre Arbeiten berühren die sich wandelnde Rolle von Handarbeit einhergehend mit dem sich ändernden Rollenbild der berufstätigen Frau. Gleichzeitig untersucht sie kritisch den Ort der Ausstellung, die „Wirtschaftsräume“ mit der ehemalige Wäscherei und Küche des Militärlazaretts, in denen unzählbare Stunden reproduktiver Tätigkeit verbracht wurden. Sie sagt selbst zu ihrer Herangehensweise: „Interessiert hat mich die Tätigkeit des Waschens mit der Hand, die ich als Handlung und Geste des Wringens keramisch konserviere und dabei auch anspiele auf das zu „Beseitigende“. Das Atelierhaus ist für sie ein besonderer Erinnerungsort, auch weil von „all diesem“ nichts mehr sichtbar ist. Anke Müffelmann ist seit 2011 Mieterin eines der Ateliers im Anscharpark und Initiatorin von „radius of art“.
Installationen:
„langes Fädchen –faules Mädchen“ (Keramik)
„Erinnerungsort für ein Waschweib 1“ (Fliesenbild)
„Erinnerungsort für ein Waschweib 2“ (Waschbecken, Keramikobjekte)
„Erinnerungsort für ein Waschweib 3“ (Metallroste, Keramikobjekte)
Danijela Pivašević-Tenner
Danijela Pivašević-Tenner (Neumünster) Danijela Pivašević-Tenner folgt einem offenen, breit gefächerten Kunstbegriff, in dessen Zentrum das Phänomen ständiger Veränderung und daraus resultierender neuer Wertevorstellungen steht. Hiervon ausgehend leitet sie ihre künstlerischen Themen und deren Umsetzungen ab. Das bisherige Werk der Künstlerin ist geprägt vom Verhältnis des Menschen zu sich selbst, in Geschichte und Gegenwart sowie zu seiner Welt im individuellen wie im gesellschaftlichen Kontext. Zu den wichtigsten gestalterischen Anliegen gehört für Danijela Pivašević-Tenner die Auseinandersetzung mit Umformungen und Deformationen, die durch den biografischen Hintergrund für die Künstlerin eine besondere Bedeutung haben.
Interaktive Aktionen und Rauminstallationen nehmen somit einen wichtigen Platz in ihrem Schaffen ein. Sie untersucht darin unter ästhetisch-emotionalen Gesichtspunkten die Verhältnisse und Beziehungen zwischen Objekten verschiedenen Materialien sowie von Personen untereinander und innerhalb der räumlichen Umgebung. Dies geschieht nicht abstrakt, sondern unmittelbar und
sinnlich, bezogen auf konkrete Orte, Situationen und Handlungen.
Danijela Pivašević-Tenner leitet das Künstlerhaus Stadttöpferei im Fürsthof und hat das internationale Artist-in-Residence Programm für Keramik dort entwickelt.
Birgit Saupe
Birgit Saupe nutzt Porzellan als Arbeitsmaterial. Sie ist Absolventin der Freien Kunst und Keramik an der Muthesius Kunsthochschule Kiel. Ihre Objektinstallationen sind künstlerische Kommentare zu medizinischen Versuchen.
Installation:
1940 – ( Herz – Lungen – Maschine mit Hundekopf + Herz )
Installation aus mehreren Teilen (Porzellan, Kupfer, Metall, Gummi), 170 x 132 x 210 cm / 2009
„Das Monster als Gipfel des Schrecklichen ist ein Produkt der Angst.“
Man erkennt die Vergänglichkeit, das fixierende Präparat, die Konservierung, aber auch das wissenschaftliche Experiment, durch welches die genannten Zustände obsolet werden. Ebenso kann es ein Anstoß sein, mit der Installation die Frage nach dem Überwinden von Sterblichkeit zu hinterfragen.(…) Die Künstlerin verwendet unglasiertes, hochgebranntes Porzellan als rein-weißes, elitäres Element und kombiniert seine knochenähnlichen Struktur und Haptik mit einer geschlossenen Maschinenkonstruktion aus gemischten Materialien. Die Skulptur zeigt Teile eines Hundekörpers, die maschinell überbrückt werden – etwa so, als sollten sie künstlich am Leben gehalten werden.(…) Die Konstruktion befindet sich auf einem alten OP-Tisch. Dieser wie auch eine Fotostrecke an der gegenüberliegenden Wand lassen Ahnungen und Assoziationen zu.
Was hat es mit dem menschlichen Streben auf sich, den Lauf der Natur und die immanente Notwendigkeit des Sterbens zu überwinden? Wo liegt die moralische aber auch logische Konsequenz perfider Experimente, auf die die Künstlerin in ihrer Arbeit anspielt: Ist die Erschaffung einer Monstrosität, die den Zuschauer in einen Zustand aus Faszination und Ekel versetzt erstrebenswert? Die mitschwingende Angst, der „delightful horror“, erscheint hier eine Art Rückversicherung zu sein vor der Gewissheit des eigenen Todes und der Vergänglichkeit des Lebens überhaupt. Das „arglose Monster“ im Zentrum der Arbeit wird so zu einem Hort der Unschuld, während der abwesende Wissenschaftler in seinem unstillbaren Forscherdrang zum eigentlich diabolischen Spiritus Rector aufsteigt.
Text: Oliver Müller Kunsthistoriker und Ethnologe / lebt und arbeitet in Halle (Saale)
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